Plutemaat

Der Plutemaat in rheinischer Mundart war der erste Trödelmarkt im Rheinland überhaupt. Heute wird an jeder Ecke gehandelt und gefeilscht, aber das Vorbild war Pützchen. 
1893 war der Plutenmarkt ein wirklich großer Trödel- und besonders ein Second-Hand-Markt. Wiederum möchte ich das rheinische Wanderbuch von Karl Kollbach von 1893 zitieren : “Zerfetzte Kleider und Wäschestücke, bettelhafte Kinder, arme Würmer für ein böses Handwerk ausersehen lungern am Boden herum, ein bissiger Köter hält die Wacht”.

Auf dem Plutenmarkt gab es für große Teile der Bevölkerung günstig und in einer ungewohnt großen Auswahl (kaum ein Kaufhaus hatte wohl so viel Auswahl zu bieten) Kleidungsstücke gebraucht zu kaufen. Neue Kleidung war zu diesem Zeitpunkt zur Jahrhundertwende für Großfamilien ein absoluter Luxus. Kollbach kritisiert unbemerkt die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, die für so eine Armut sorgen.

Eine gute Verbindung von Spaß und Unterhaltung und Erwerb von Produkten gehen die Anbieter ein, die Blumen, Wurst, Käse oder Fisch in einer Art Versteigerung verkaufen.
Der “billige Jakob”, der Waren deutlich günstiger als im Einzelhandel verkauft war schon zur letzten Jahrhundertwende bekannt. Dabei redet der Verkäufer zu seinem Publikum rund um den Wagen und preist mit frechen und lustigen Sprüchen seine Waren an. Die Preise werden unter dem Gelächter des Publikums mit den jeweiligen Kaufwilligen ausgehandelt. Dies sind wahre Erlebniskäufe, denn obwohl die Preise und die zu ersteigernden Würste und Blümchen in Wahrheit nicht viel billiger als im Einzelhandel sind, finden sie reißenden Absatz, da die frechen Sprüche der Verkäufer animieren. Wer würde bei dieser Marktstimmung nicht zuschlagen, wenn der Verkäufer einem einen angeblichen Rabatt von 50 % einräumt ?

Heute im 21. Jahrhundert ist der Besuch des Jahrmarktes überwiegend nur noch Freizeitvergnügen. Leider existieren keine Untersuchungen zu diesem Thema, aber der Kauf oder Verkauf von Waren dürfte spätestens in den Gründerjahren des 19. Jahrhunderts in den Hintergrund getreten sein. Mit der industriellen Revolution und der damit, wir würden heute sagen, einhergehenden Globalisierung, spielt der lokale Warenverkauf nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest werden keine Käufe auf Pützchens Markt geplant, oder besser Käufe auf Jahrmärkten sind nicht mehr notwendig. Es wird eher impulsiv auf “Schnäppchenangebote” zugegriffen. Konnten im 18. und in weiten Teilen des 19. Jahrhunderts bestimmte besondere Waren nur auf Monats- oder Jahrmärkten verkauft und erworben werden, konnten alle diese Waren im 20. Jahrhundert über den Einzelhandel und der immer verfeinerten Logistik bis ins hinterste Dorf beschafft werden.

Die Messefunktion des Jahrmarktes, die Präsentation von Neuheiten oder verbesserten Produkten hat ebenfalls mit der Zeit abgenommen. Bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Leitern, Fenster und andere langlebige Konsumgüter zur Information und zum Erwerb ausgestellt. In den letzten Jahren finden sich solche Anbieter seltener, wobei vermehrt Werbung über Plakate und Handzettel für Produkte gemacht wird. Pützchens Markt mit seinen Millionen Besuchern ist natürlich auch eine gigantische Werbeplattform, die Gewerbetreibende für sich gut nutzen können. In einem Umfeld, wo die meisten Menschen positiv gestimmt sind, lassen sich zumindest einfach zu erklärende Produkte gut anbieten. Immerhin hat man innerhalb von fünf Tagen die gesamte Region zu Gast !

Das entscheidende eines Jahrmarktes sind heute die Attraktionen durch die
Fahrgeschäfte. Um 1,5 Millionen Menschen jedes Jahr anzuziehen, müssen immer wieder Attraktionen durch die Schausteller auf dem Marktgelände präsentiert werden. Dabei treten die Schausteller in Konkurrenz zu den immer zahlreicher werdenden Freizeitparks wie Phantasialand usw..

Seit Anfang des Jahrhunderts gibt es bereits Achterbahnen, aber sie immer größer spannender und somit attraktiver für das Publikum zu machen gibt es unter den Schaustellern harte Konkurrenz. In den siebziger und achtziger Jahren waren die Achterbahnen mit ihren Loopings sehr beliebt. Der Bonner Schausteller baute 1986 die größte transportable Achterbahn der Welt, einen fünfer-Looping, der 850 Tonnen auf die Waage bringt und 1,2 km weit die Passagiere fahren läßt. Zerlegt paßt die Bahn in 55 Eisenbahnwaggons. Die Kosten für solche Projekte erreichen schnell 10-20 Millionen Mark und müssen dann auf den Jahrmärkten wieder eingespielt werden. Besondere Attraktionen haben eben ihren Preis.